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Schreibpult

Die Idee für ein Schreibpult kam im Winter 2009/2010 auf, als die Idee konkreter wurde, mit meinen Schreibereien auf Mittelaltermärkte zu gehen. Irgendeine Art von Schreibtisch brauchte ich dafür in jedem Fall, und daß ein geneigtes Pult bequemer ist als ein flacher Schreibtisch, war auch von selbst klar.


Entwurf Front und Schreibplatte, links die Seitenteile

Der Rest war dann Eigenentwurf, natürlich nachdem ich mir ein paar Bilder von mittelalterlichen Pulten in Büchern und im Internet angesehen hatte. Die Originale waren eher zwei Grundformen, ganz offene Gestelle mit einer Schreibfläche obenauf, oder komplett geschlossen, eher also wie ein Schränkchen mit schrägem Deckel. Auf den Abstellplatz, den die geschlossene Form für allerlei Utensilien bietet, wollte ich nicht verzichten. Aber durchgehende Bretter am Boden sind auf unebenem Gelände oft nicht gut wackelfrei zu stellen. Daher habe ich mich für einen Kompromiß aus beidem entschieden: ein nach vorne geschlossenes Ablagefach, darunter eher die Gerüstform mit vier getrennten Standflächen.

Der Rest ergab sich dann schnell: Das Frontbrett dient gleich mit als Querstrebe für die Stabilisierung, und es stellte außerdem eine schöne Fläche dar, um ein Logo o.ä. anzubringen. In den Seitenbrettern trennt eine in gotischem Stil gestaltete Freifläche die vorderen und hinteren Füße. Ihre Form zusammen mit der Gravur drumherrum sind übrigens einer Schnitzerei an einem Schrank aus dem 16. Jdht. nachempfunden. Der Vierpaß oben (erst auf Bildern im folgenden zu sehen) war als reine Zierde gedacht, hat sich jedoch sogar als praktischer Griff zum Tragen herausgestellt :-)

Nachdem der grobe Plan ausgearbeitet war, fehlten dann noch die Abmessungen und der Winkel für die Schreibfläche. Dazu habe ich eine kleine Versuchsreihe gestartet und an einem provisorisch schräg aufgestellten Brett getestet, welche Neigung mir zusagt. Dabei bin ich bei einem Winkel von 38° gegenüber der Waagrechten gelandet, was optisch vergleichsweise steil aussieht, zum Schreiben jedoch durchaus bequem ist. Die Höhe habe ich erst nach dem Grobaufbau endgültig festgelegt, nachdem ich mich versuchsweise an das Pult stellen konnte. Von der ursprünglichen Höhe von 140cm (an der Front) habe ich noch 7cm unten weggenommen, so daß ich an jeder Stelle bequem in Stehen davor schreiben kann; die Schreibfläche geht nun von 116cm bis 141cm über dem Boden.


Erster Grobaufbau

Die restlichen Maße waren dagegen weniger kritisch und konnten ad hoc nach ungefährer Proportion festgelegt werden: 40cm tief und 60cm breit, was auch groß genug für etwa zwei A4-Blätter nebeneinander ist. Damit ließen sich dann alle beötigten Bretter ausrechnen, und nach einem kurzen (und für ihn durchaus ertragreichen) Besuch beim Holzhändler meines Vertrauens konnte es dann losgehen: Zuschneiden der drei Bretter, an denen die Haltezapfen vorgesehen waren, und Ausstemmen der Löcher, die sie jeweils aufnehmen sollten. Das dauert freilich ein wenig, ist aber auch wenig spannend, wenn man es schon ein paarmal gemacht hat. Aber danach war ein erster provisorischer Aufbau möglich, und ich konnte wie oben beschrieben die endgültige Höhe des Pults ausprobieren.

Der schräge Anschluß der Schreibfläche oben an das schmale gerade Deckelstück war einfacher als ich es mir vorher gedacht hatte. Die Gradeinteilung beim Kippen der Kreissäge ist zwar garantiert nicht allzu zuverlässig, aber aufs Grad kommt es da auch gar nicht an. Eine leichte Nachbearbeitung mit der Raspel war so oder so nötig und ging durch die geringe Stärke flott von der Hand.

Als nächstes habe ich noch die Zierlöcher an den Seitenteilen ausgesägt, unten mit der Stichsäge, und das Maßwerk oben diesmal mit einem Lochbohrer, wie man ihn z.B. für Steckdosen verwendet. (Warum bin ich nicht schon letztesmal auf diese Idee gekommen?)

Das nächste Teilprojekt waren dann die gravierten Verzierungen: die Zusatzornamente an den Seitenteilen (zu sehen auf dem rechten unteren der folgenden Bilder), und natürlich der große Schriftzug "Scriptorium" zusammen mit meinem Feder&Tintenfaß-Logo auf der Front. Das Gravieren selbst ist wieder die gleiche Technik wie beim Tischchen und den Krinnaholz-Scheiben. Auf den beiden Bildern unten sieht man einmal das schon fertig gravierte Logo neben der noch vorgezeichneten Schrift, und daneben dann das spätere Ausmalen der Buchstabenflächen mit grauer Beize.

Schließlich war es dann soweit und die fertigen Teile konnten erstmals zusammengebaut und verkeilt werden (links). Aber bevor es wirklich als fertig bezeichnet werden kann, mußten freilich noch alle Teile des Pults geölt werden, damit sie auch harten Markt-Witterungen mal standhalten können. Rechts sieht man deutlich den Farbunterschied zwischen vor und nach dem Ölen!

Auf dem ursprünglichen Wunschzettel an das Pult hatte ich noch vermerkt, daß ein Lineal praktisch sein könnte. Ein wenig Vorbild hierfür waren dann die Zeichenbretter für Grafiker, bei denen ein Lineal in einer Schiene geführt wird, und man somit effizient parallele Linien in bestimmten Abständen zeichnen kann.

Ganz so professionell ist die Ausführung in Holz dann doch nicht geworden, aber durch die doppelte Schiene links und rechts bei meinem selbstgebauten Lineal kann man immerhin gut waagrechte Linien ziehen. Eine Millimeter-Einteilung hätte ich nicht ausreichend genau gravieren können, und ein gröberer Maßstab (z.B. 5mm-Schritte) hätte in der Praxis wohl mehr Ärger als Nutzen gestiftet (man fängt dann an zu schätzen, und dann werden die Linien erst recht krumm), deswegen habe ich mich schließlich dagegen entschieden.

Also benutze ich für die Abstände beim Linieren weiterhin eine Vorlage, die ich neben das Blatt lege. Hilfreich ist das Lineal aber allemal trotzdem, denn der rechte Winkel ergibt sich ohne Mühe, und man muß nicht auf zwei Punkte links und rechts achten :-)

Die beiden Führungen des Lineals links und rechts sind übrigens aus der gleichen Leiste, und ausnahmsweise verleimt, da eine nur gesteckte Verbindung sicher früher oder später irgendwie wackeln würde, und die Folge wäre Verhaken beim Schieben. Und geleimt hält der rechte Winkel sicher und ohne Nachjustieren.

Die waagrecht verlaufende Nut unten ist übrigens für eine schmale Leiste, die das Abrutschen des Papiers verhindern soll, aber auch gleich als Bezugskante beim Linieren dient. Gefertigt habe ich diese Leiste einfach aus einem Abschnitt der Schreibfläche. Die Breite von klein wenig mehr als 4mm ging gerade so noch mit der Kreissäge, nach Zurechtschleifen auf dem Bandschleifer rutsche sie dann auch so exakt hinein, daß sie auch ohne Leim perfekt hält!


Buchhalter
(hier noch nicht geölt, deshalb heller als der Rest)

Ein weiteres wünschenswertes Feature ergab sich dann beim ersten praktischen Einsatz: Ein Buchhalter mußte her! Oft schreibe ich ja irgendwelche Texte ab, sei es nun aus Büchern oder von einem Notizzettel. Einen solchen kann man zur Not ja noch irgendwie nebendran unterbringen, Bücher rutschen aber auf der steilen Schreibfläche einfach zu leicht.

Der Entwurf war simpel: zwei Querstreben (die mittlere für die Stabilität, sowohl des Halters als auch des Buches) und diese mit gewöhnlichen Rundhölzern, die sich in der "Bastelkiste" fanden, zusammengesteckt. Die Querleisten sind übrigens Abschnitte der Seitenteile, waren also schön zum Rest passend schon auf Lager. Mit der Standbohrmaschine konnten die Löcher auch exakt senkrecht gebohrt werden, so daß die Winkel stimmen. Die Löcher im Deckel als Aufnahme waren etwas schwieriger in der richtigen Neigung hinzubekommen, ich habe die Höhe des Frontdeckels als Anhaltspunkt genommen (und diesen vorsichtshalber mit einem Blechstreifen abgedeckt dabei :-) Davor befinden sich dann noch einfache Zapfen, die das Umschlagen der Seiten des Buches verhindern sollen und nach vorne Halt geben.